Vortrags-Auszüge:  Eugen Drewermann ein deutscher Theologe, Psychoanalytiker, Schriftsteller und suspendierter römisch-katholischer Priester. Er ist ein wichtiger Vertreter der tiefenpsychologischen Exegese und als kirchenkritischer Publizist tätig. Wikipedia

 

"Matthäusevangelium/ ´Was Ihr getan habt, einem meiner geringsten Brüder, das habt Ihr mir getan´..."

youtube, Hörsendung, eingestellt März 2017  |  Basis: Buchveröffentlichung 1994

 

 

"... Die frage ergeht ganz einfach nach der Lebensform.  Und um es schon vorwegzugreifen: In diesem Gleichnis gibt es Menschen  - und nicht nur in der Ausnahme, sondern in der Regel -,   die haben bei der Weise, wie sie lebten, an Gott mit keiner Silbe gedacht ..., Menschen, die wollten überhaupt nicht Gott dienen, hatten überhaupt keinen Weihrauch in der Nase und kein Glockenläuten in den Ohren und keine Schwielen an den Knien. Ihnen lag überhaupt nichts an Ritual, an Liturgie, an all der Frömmelei.  Aber sie waren fähig, menschliche Not zu sehen und sich daran nicht vorbeizudrücken.  Das allein ist der Maßstab in deisem Gleichnis und die einzige Form von Gottesdienst, um die es Jesus dabei geht.

 

... Kontext: das Samariter-Gleichnis:  ... Da ist die orthodoxe Religion, die ritualisierte Gottesbeziehung ein Hindernisgrund  zwischen Mensch und Mensch, und deshalb soll sie der Teufel holen, meint Jesus.  Und damit das noch nicht genug sei, gleich in den Fußspuren... Selbst wenn das noch nicht genügt, damit er verstehe, wie wenig dieser Typ von Religion, den wir seit Kindertagen beigebracht bekommen haben, im Sinne Jesu irgendetwas mit Gott wirklich zu tun hat, fordert er die Hörer noch viel krasser heraus:  und stellt einen Samariter vor... In den Tagen Jesu war er der Volksfeind der orthodoxen Juden:  Samariter waren die Leute, die den Tempelkult ablehnten, die sogar Totengebein auf den Tempelplatz geschüttet hatten, um ihn zu besudeln....

Samariter galten als die schlimmsten Ausgesonderten, weil sie, ganz ähnlich dem Judentum, dennoch dem Glauben in Juda widersprachen, der Rest sozusagen des alten Nordreichs ´Israel´, wo die ganze Entwicklung, die später zur Thora führt, nicht mitvollzogen worden ist.  Genau diesen verruchten Gegentyp, diesen Inbegriff des Volksfeindes, des Hassenswerten im Namen der Ortodoxie, der Ketzer, nimmt Jesus und sagt:  ... der Mann hat mindestens eine Cance, der glaubt nicht an den Tempel, und deshalb hat er Zeit genug für einen Menschen an seiner Seite.

Das ist soviel wie die Aufforderung, Schluss zu machen mit all dem, was da in der Behörde beamtet, zentralistisch verwaltet wurde.  Das einzige, was bleibt, ... ist die Offenheit, auf menschliche Not zu antworten.  Daran allein entscheidet sich buchstäblich alles. 

Und, um es vorwegzusagen, Menschen, die imstande sind, an der Not anderer vorbeizugehen, und sei es aufgrund der heiligsten Argumente, die leben buchstäblich in einer Welt, die so kalt ist, wie die Hölle selbst. Wir sollten nicht denken, sie wäre heiß, sondern ..Dante hat recht, wenn er ... beschreibt, wie da Menschen stehen, eingetaucht in einen Sumpf, und auf ihren Gesichtern die Tränen gefroren zu gläsernen Masken aus Eis, weil überr sie hingeht ein kalter Wind aus einer stets klappernden Mühle.

Wie kaut man den Gefrierzustand der Seele ab?  Das ist die Frage der Erlösung der Menschen.

Solang es noch Gründe gibt, womöglich religiös motivierte, Menschen von Menschen zu trennen, Mauern zu ziehen zwischen den Menschen, haben wir von der Botschaft Jesu nichts begriffen.  Und ob wir´s wahrhaben wollen oder nicht:  der Zustand, in dem wir dann sind, ist gnadenlos und weit weit weg vom Paradies oder vom Reich Gottes. ...

 

 

Also beginnen wir:

Es gibt Hungrige. Das ist, äußerlich gesehen, der Notschrei, den Sie in verschiedenen Facetten immer wieder in der Zeitung lesen, dass allein in einem einzigen Jahr etwa 50 Mio. Menschen auf der Südhaöbkugel Hungers sterben. ...  Heute wissen wir, heute lesen wir, und ich bin ganz sicher, die Generation nach uns wird uns Heutige fragen, wo wir waren, als in einem einzigen Jahr die Zahl des gesamten 2. Weltkriegs, 50 Mio Tote, mariginal, ohne irdendwelche Aufregung verschwunden sind von dieser Erde.  Scheinbar ohne auch nur das Eintrittsrecht in ein menschenwürdigen Dasein zu besitzen.

...  Die letzten 30 Jahre sind damit hingegangen, die Schere der Preisentwicklung auf dem Weltmarkt zwischen Rohstoffen und Fertigwaren zugunsten der Industriestaaten so weit auseinanderzutreiben, dass die Länder auf der Südhalbkugel überhaupt keine  Chance haben, im Konzert der Reichen und Mächtigen mitzuspielen, und wenn sie´s denn wollten, werden sie sofort als Gefahr durch alle möglichen Zollabkommen und Schranken der Politik an den Wohlstandsbastionen Europas und Nordamerikas ausgeschaltet.

Wir wissen das, wir sehen uns das mit an, wir haben auch eine Kirche, die uns erklärt, natürlich, die Not der Armen, wir sammeln in 3 Monaten vor Ostern für Misereor.  Es ist rührend, wie der Herr sprach, auf dem Berge sitzend:  ´Mich erbarmt des Volkes´- das tun wir.  Und die Leute, die das ernst nehmen, Gott sei Dank gibt´s deren  noch genügend, werden ungefähr 50 Mio Mark spenden - für jeden Verhungernden grad 1 Mark.  Mehr ist kaum zu erwarten und es ist von denen, die es tun, sehr sehr viel. Aber jeder weiß, dass es nicht genügt, absolut nicht genügt. ...

Die Frage ist, wann wir uns den Luxus leisten, wirklich einmal stehen zu bleiben und den Leuten nahezukommen, die nicht mehr ein noch aus wissen. Wir sind dabei, dass ganze Kontinente verelenden... Das schauen wir uns mit an, inklusive des riesigen Drucks auf die Zerstörung der Regenwälder und noch intakten Naturoasen und -reserven...

...

(Hunger im Seelischen)...die Menschlichkeit ist, dass wir keine solchen praktischen Grenzen haben, weil die Not des anderen ein ungeheurer offener Mund ist, der sich nie schließen wird.  -  Vielleicht das beste  Bild zu dieser Art des Hungers hat gezeigt der norwegische Maler Edvard Munch in dem Bild ´Der Schrei´... Dieser offene Mund mit einem unhörbaren Schrei der Verzweiflung und einem flammenden Himmel, hohlwangig, auf einer Brücke -  Wenn Sie diesen Mund zu küssen versuchen, zu schließen versuchen, bis er redet, statt zu schreien, bis er spricht, statt stumm zu sein, dann haben Sie ´Hungrige gespeist´, einen einzigen zumindest. Und die ganze Welt wird sich ändern. ...

Immer ist die Hilfsbedürftigkeit anderer Menschen störend, aber diese Störung ist die göttliche. Nur in diesen Zonen kommt ein Stück vom Himmel auf die Erde.

Und diese Zonen einzuebnen, durch Plan, durch Pflicht, durch Ordnung bedeutet, dass wir uns die Hölle rappelsicher machen. ...

Und immer geht das so, dass wir zum Zerstören genial sind, zum Aufbau Stümper. ... Aber wofür? Wogegen?  die wirkliche Not, der Kampf gehörte dem Hunger, dem Durst, der Zerstörung der Umwelt.  Da gäb´s Unendliches zu tun:  den Gründen, aus denen Kriege werden. Stattdessen stehen wir auf Position 3 beim Weltexport an Waffen. ...

...Mrd. da, wo sie hingehören! ...30 Mrd., ein einziges Mal investiert, und wir hätten einen Querschnitt Lähmung durch die Spirale des Elends, die sich immer weiter wickelt, gelegt....

 

 

Es war der Buddhismus, der sagte, ... die Not der Menschen liegt im wesentlichen in ...ihrem Durst. Und der Buddha meinte damit die Gier nach Leben, die sich immer wieder an die falschen Inhalte hängt: Immer wieder glaubt man, etwas Bestimmtes haben zu müssen, statt selber in Wahrheit zu sein. ...

 

 

..."