re:publica Accra – Die digitale Revolution in AfrikaUnter der Wolkendecke: der zweitgrößte Kontinent der Welt, größer als die USA, China, Indien, Japan und Europa zusammen: Afrika! Dort passiert gerade ein evolutionärer Quantensprung – quasi von der Agrargesellschaft ins digitale Zeitalter. Das Handy war der Auslöser. Der Mobilfunk hat den weiten Kontinent vernetzt, wo Straßen, Schienen oder Flughäfen fehlen. "Mobile Money" - viele Millionen Afrikaner nutzen ihr Handy wie ein Bankkonto. Schlicht per SMS laden sie Geld auf's Telefon, überweisen es, heben Geld ab, begleichen Rechnungen. Ein völlig neues handybasiertes Banksystem, das Milliarden umsetzt, haben sie erfunden. Aus der Not der Unterentwicklung einen technologischen Fortschritt gemacht, über den der Westen gerade staunt. Netzpolitik und NetzfreiheitIn fünf Tagen wird die internationale digitale Gemeinde in Ghana im Messezentrum der Hauptstadt Accra aufschlagen, der Re:publika – die Programmmacher des Tech-Festivals rechnen mit 1000 Besuchern. Wie im Mai in Berlin will die "re:publica in Accra" ein offenes Forum sein um über Netzpolitik und Netzfreiheit zu diskutieren mit Erfindern, Influencern, Bloggern, Startups. Es geht auch um digitale Kunst und Medien. Mit armen Menschen lässt sich viel Geld machenBetina Quest ist die Kuratorin– die Musikerin ist in Deutschland aufgewachsen: "Die digitale Szene zumindest hier in Ghana, was ich bis jetzt gesehen habe, ist total am Wachsen. Gerade weil Hip-Hop immer mehr im Kommen ist, gerade weil die Afrobeats elektronisch generiert werden und per Computer generiert werden. Aber gerade auch, wie gesagt, weil es einfach das Budget viel eher zulässt, dass man genau digital produziert als jetzt mit einer Riesen Live-Band und Kombo ankommt." Innerhalb der nächsten Tage wird sie hier ein digitales Studio für Musiksessions aufbauen. Afrika war lange für Unternehmen nicht interessant: zu arm. "mobile money" hat aber vorgeführt: auch mit armen Menschen lässt sich – wenn es viele sind – viel Geld machen. Apps für vieles"impact hub" ist ein Gründerzentrum. Den Leuten hier geht es zunächst mal um Ideen, Ideen, wie sie mit digitaler Technologie die fehlende Entwicklung ihrer Länder ausgleichen können. Apps, über die Ärzte den Patienten helfen, 3-D-Drucker, wo es keine Fabriken gibt, Handelspreise für Bauern per SMS und Bildung auch in den abgelegensten Gegenden. Da oft das internet fehlt, müssen Erfinder auch Offline-Lösungen austüfteln. Die app "Chalkboard" zum Beispiel, versorgt Studenten, die keinen Studienplatz ergattern konnten, mit Lehrstoff und Prüfungsmaterial. "Auf der globalen Bühne konkurrieren"William Senyo unterstützt in seinem "Impact Hub" die jungen Talente bei ihren start ups. Bei ihm haben sie Zugang zu Hochgeschwindigkeitsinternet. Google hat die Glasfaserkabel gesponsert, die Voraussetzung zum Programmieren. "Wir finden, dass diese technologische Revolution uns einen Vorteil verschafft, um auf der globalen Bühne konkurrieren zu können. Also, der Zugang zu allem, was damit verbunden ist, bedeutet, dass wir Produkte made in Afrika entwickeln, die für unsere Bedürfnisse passen, ohne das externe Konzerne mitmischen", sagt Senyo. Das Programmieren hat sich Ivy Barley selbst beigebracht. Jetzt bildet sie Frauen darin aus und vermittelt ihnen dann Jobs. Alles über eine App. Ivy wird bei der "re:publica" einen Talk moderieren mit den drei einflussreichsten Frauen der Digitalszene Afrikas. Sie könnte auch eine werden: "Ja, das werde ich! In den nächsten fünf Jahren werde ich eine der einflussreichsten Frauen der Szene in Afrika sein. Ich arbeite hart daran!", sagt sie. Gefahren der TechnologieIn der Nähe des Impact Hub hat der "Mark Zuckerberg of Africa" sein Büro. Seine App Bisa vernetzt Patienten mit Medizinern und nutzt die Daten in Zusammenarbeit mit dem Staat, um z.B. bei Ebola schneller handeln zu können. Der App-Guru hat dafür gesorgt, dass seine gesammelten Daten Ghana nicht verlassen. Facebook und Google haben ihren Fuß längst auf dem Kontinent, wo es so gut wie keinen Datenschutz gibt. Raindolf Owusu, zu einem der einflussreichsten Afrikaner gekürt, sieht die Gefahren: "Es ist ganz wichtig, dass die digitale Community oder die Regierung und die Handelskammern das regulieren – wie weit die globalen Konzerne sich in die lokale Technologieszene und Industrie einbringen dürfen. Damit wir unsere jungen Start-up-Gründer schützen können. Wenn wir das nicht tun, werden sie auch eine App wie Bisa kreieren. Sie werden das Gleiche machen, was unsere Talente im Bildungssektor erfunden haben, und dann werden wir ganz schnell wieder da sein, wo wir angefangen haben, wo junge Leute keine Jobs fanden. Und dann werden die Jobs und die Plattformen besetzt von den ausländischen Konzernen", so Owusu. "Ich glaube, bei uns wird noch nicht genügend über diese Gefahren gesprochen. Und deshalb will re:Publika auch eine Diskussion über die Gefahren der Technologie in Gang bringen", sagt Senyo, der Co-Organisator re:publica Accra Mama Afrika erlebt eine Revolution – eine Chance für die Jungen auf ein auskömmliches Leben und eine Chance für Europa, das ein starkes Eigeninteresse an dieser Entwicklung hat. Bericht: Ulrike Bremer Stand: 09.12.2018 23:05 Uhr |