Start
 

Geldgipfel 2016 – Homo civilis et oeconomicus. Vom Fußabdruck zum Handabdruck
Vortrag von Christian Felber

Geld als öffentliches Gut. Für ein demokratisches Finanzsystem.

hier:    // gw: hoffentlich möglichst überschaubare Extrapolationen

______________________________________________________________________________________




Heute kann ein Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich sein und gleichzeitig die Gesellschaft reicher machen, sinnvolle Arbeitsplätze schaffen, die Ungleichheit verringern, die Demokratie stärken, die Umwelt sanieren, das ist möglich.

Aber leider Gottes ist das exakte Gegenteil genauso möglich. Es kann ein Unternehmen seinen Finanzgewinn vervierfachen und tausende von Arbeitsplätze abbauen und den Arbeitsdruck erhöhen und die Mobbingund
Burnout‐Raten in die Höhe treiben und Frauen diskriminieren oder andere Benachteiligte, die Demokratie korrumpieren und die Umwelt zerstören, das ist genauso möglich.


Nur wenn du zeigen kannst, dass du die Gesellschaft nicht ärmer machst, nur wenn du zeigen kannst, dass du nicht zur Poverty der Nation beiträgst, indem du die Gemeingüter, von Vertrauen über Gerechtigkeit bis Demokratie, das sind Gemeinschaftsgüter, in ihrem Wert minderst, dass du damit uns alle nicht enteignest und ärmer machst, nur dann wirst du in Zukunft wirtschaftlich erfolgreich sein können.


Die Kunden und Kundinnen haben zwar die Freiheit, zu den teureren Produkten und Dienstleistungen zu greifen, aber sie werden dafür faktisch von den Märkten bestraft.

Als Bürger und Bürgerinnen können sie dieses Verhältnis umkehren, sie können bewirken, dass die ethischen Produkte und Dienstleistungen preisgünstiger sind, als die weniger ethischen und das wäre auch der Kern einer Gemeinwohlökonomie.

Deshalb muss eine Demokratie den Rahmen immer so setzen, dass das Fair‐Spielen belohnt wird.




Wie lassen sich gesetzliche Rahmenbedingungen ändern?


Aus meiner Sicht ist der Kern des Problems nicht nur, dass wir inhaltlich schlecht designte Finanzmärkte und ein schlecht designtes Finanzsystem haben, ...

...sondern dass wir derzeit nicht in einer Demokratie leben, die Entscheidungen im Interesse und nach den Werten und Prioritäten der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger erlaubt.


Der Vorschlag, der jetzt kommt, basiert auf zwei Ebenen, A auf der inhaltlichen Ebene und B auf der mittlerweile wichtiger gewordenen und deshalb voran gestellten prozessualen Ebene.


Wie können wir ein alternatives Finanzsystem uns überhaupt selbst gestalten?


...denn es gibt eben sehr Mainstream‐gängige Hypothesen, die Effizienzmarkthypothese auf den Finanzmärkten, die sagt..., wenn man Märkte sich selbst regulieren lässt, dann funktionieren sie am besten.

Allein diese Aussage übersieht ja schon, dass Märkte nicht etwas Naturgegebenes sind, sondern dass Märkte an sich schon eine staatliche Regulierung sind.
Alle Einzelteile von Märkten, egal ob das das Privatrecht ist, das Eigentum als Institution, das Geld, das auf Märkten zirkuliert, die Lizenz, die ein Unternehmen haben muss, ... sind staatliche Einrichtungen und
gesellschaftliche Konventionen.


These:    die Machtkonzentration, die Folge dieser Ideologie ist, blockiert jede effektive, tiefreichende demokratische Veränderung.
Das heißt, wir müssen uns mit der Machtfrage beschäftigen, sonst nützt die Behandlung der attraktivsten Inhalte wenig.


Das alternative Paradigma: "Geld als öffentliches Gut".

Was meint das?
Geld als öffentliches Gut heißt an erster Stelle:
-  dass die Regeln für das Geldsystem demokratischer als heute zustande kommen sollen, 

-         es heißt zweitens, dass Geld ein Mittel ist, ganz konsequent, Gelderwerb ist nicht das Ziel, ist nicht der Zweck
-  und drittens, dass der Zweck, dem das Geld und die Verwendung von Geld dienen soll, das Gemeinwohl ist.


Aristoteles hat sogar zwei Begriffe für die Ökonomie unterschieden, Oikonomia und Chrematistike.

Und der wesentliche Unterschied war, dass in der Oikonomia das Geld als Mittel betrachtet wird, um dem Zweck des Wirtschaftens zu dienen, in seinen Augen war der Zweck des Wirtschaftens das gute Leben und die gerechte Gesellschaft.
Und wenn sich das aber verkehren würde, wenn das Mittel zum Zweck würde, also das Geld zum Ziel meiner wirtschaftlichen oder meiner künstlerischen Tätigkeit, dann hat er das als widernatürlich betrachtet und als Chrematistike bezeichnet.  Chrematistike ist ein Synonym für Kapitalismus, Kapitalismus bedeutet – Kapital‐ismus, nehmen sie sich in Acht vor allen ‐ismen – die Mehrung des Kapitals ist das Ziel und alles andere ist von geringerer Bedeutung, das genügt als Definition. Also wird auch mein Erfolg an erster Stelle an der Mehrung des Kapitals gemessen.


Oikonomia ist Gemeinwohlökonomie, weil das Gemeinwohl das Ziel ist, dass es allen gut geht in diesem Haus und das muss sich nicht auf die Menschen begrenzen. Und das Geld ist ein wertvolles Mittel, das Kapital ist ein wertvolles Mittel, aber es ist eben nur das Mittel.
Ich möchte aber nicht nur mit Aristoteles meine Gedanken begründen, sondern habe viele, viele Verfassungen demokratischer Staaten durchwandert und bin sehr häufig fündig geworden, dass genau das so da drinnen steht, dass wir eigentlich genau wüssten, was der Zweck ist und was das Mittel.

Aber die Wirtschaftsordnung ist nicht danach gestrickt. Sie ist genau umgekehrt gestrickt.

Das hat ganz massiv damit zu tun, dass die Grundregeln für die Wirtschaft nicht von uns Bürgerinnen und Bürgern geschrieben werden, weil wir das dann auch in der konkreten Wirtschaftsordnung ausführen würden.

Es braucht für die Entscheidung der Grundregeln der Wirtschaft einen anderen demokratischen
Prozess
.


Und die Idee wäre
eine echte souveräne Demokratie. 

Wer ist die souveräne  - die über allem stehende - Instanz in einer Demokratie?
Das sind die Bürgerinnen und Bürger.  Sie
können die Ordnungselemente jederzeit verändern.

Wir haben vergessen, unsere kollektiven Souveränsrechte auch anzudenken und dann zu entwickeln.




Souveränitätsrechte:

Das Geldregal, also die Ausgabe von Geld, ist ein Exklusivrecht des Souveräns.

-  Oder die Entscheidung, ein völkerrechtliches Abkommen abzuschließen, ist logischerweise ein Recht derjenigen Instanz, in deren Namen verhandelt wird und für die der Inhalt dieses verhandelten Abkommens gut sein soll.   -   Der Souverän kann dieses Recht delegieren an seine Vertretung, aber wenn das Recht delegiert ist an die Vertretung, sei das jetzt an die Parlamente der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union oder die europäischen Institutionen, heißt das, dass ich es jederzeit wieder an mich zurückziehen kann, wenn
nicht gewährleistet ist, dass die in meinem Sinne entscheiden.
Und dann bräuchten wir keine einzige Demonstration, wir bräuchten einfach nur unsere Rechte einsetzen

Das erste Souveränsrecht:  
Verfassungsgebung

Das erste Souveränitätsrecht bezieht sich auf das Recht, das höchste Dokument der Demokratie zu schreiben.
Wenn Parlament und Regierung selbst entscheiden, welche Macht sie haben, dann ist es so , dass sie sich selbst praktisch die ganze Macht geben und no power for the people übrig lassen. Und dann bleiben uns die Bettel‐ und Zappelrechte. Oder unverbindliche Anhörungsrechte.
//  z.B. TTIP:  Die Europäische Kommission – wo ist denn die? Höchste Instanz ist sie nicht, Verfassung ist sie auch nicht, ist sie die direkt gewählte legislative Gewalt? Nein, die ist da an vierter Stelle als Exekutivorgan.
Derzeit hat das Exekutivorgan die Macht, ein Anliegen oder die Initiative des Souveräns, die auf rechtlicher Grundlage beruht, mit einem Sachargument abzuschmettern.
Und so eine Machtkonstellation, dass die vierte Instanz mehr Macht hat als die erste Instanz, ist das beste Beispiel dafür, was dabei herauskommt, wenn die Verfassung und die Aufteilung der Gewalten und der Rechte von der Vertretung des Souveräns geschrieben wird und nicht vom Souverän selbst.


Glauben sie, dass irgendjemand in der Bevölkerung vorschlagen würde, ja es darf Bürgerinitiativen geben, aber die Regierung darf darüber entscheiden, ob diese zulässig sind oder nicht? Das ist der derzeitige, faktische Vertragszustand in der Europäischen Union.




In einer Souveränen Demokratie wäre:

-      die erste Gewalt die
Konstitutive  -  sie schreibt die Verfassung so dass die wesentlichen Grundsatzentscheidungen getroffen werden, dort wo die Bevölkerung ethisch gebildeter ist, als ihre Vertretung   (– nach ganz, ganz vielen wissenschaftlichen Studien, das ist vielfach belegt, die Vertretung hat ein höheres Detail und Fachwissen, aber die Bevölkerung hat ein höheres ethisches Wissen, oder anders gesagt, eine höhere Herzensbildung.)
          /
Und darum geht es, die Grundsatzentscheidung ist:   was soll das übergeordnete Ziel der Wirtschaft sein?
        /Und dann müssen Parlament und Regierung das ausführen.
.
-     dann die Legislative  -  hat die zentrale Aufgabe, den Verfassungswillen in Gesetze zu gießen.
.
-     die Exekutive,
.
-     die Judikative
.
-     und wo auch immer gibt‘s dann als fünfte Gewalt auch die Monetative.


Ein konkretes Beispiel:
Jetzt steht im Grundgesetz – zwei Sätze, und aus zwei Sätzen werden vier Sätze, also wirklich nicht wesentlich länger:
-  Eigentum verpflichtet, Satz eins.
-  Satz zwei: Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen.
Stimmt dem irgendjemand nicht zu? Das Grundgesetz spricht uns aus dem Herzen, alleine, es bleibt völlig wirkungslos, wenn dann nicht der dritte und der vierte Satz folgen.
-  Der dritte Satz könnte zum Beispiel sein: Deshalb müssen alle Unternehmen
eine Gemeinwohlbilanz erstellen.
-  Und vierter Satz: Und bessere Gemeinwohlbilanzergebnisse, sprich höhere ethische Leistungen, führen zu einer relativen Besserstellung der betroffenen Unternehmen, Banken, Investoren oder Kunden, in der Bedeutung, dass die ethischen Produkte und Dienstleistungen preisgünstiger werden für die Endverbraucherinnen oder für die Investorinnen.
Aus zwei Sätzen vier,dicker wird es nicht.




Wichtige
Konstititions-Aufgabe des Souveräns:  Grundsatzentscheidung über das Geldsystem

Instrument:  Geldkonvent

Der Konvent, den wir uns andenken, ist nicht auf Bundesebene zuerst, sondern auf der kleinsten politischen Einheit, nämlich auf kommunaler Ebene.

Erste Ebene:   ein
kommunaler Wirtschafts-Konvent, oder Geldkonvent in diesem Fall ...

//die Idee wäre, dass sich im Zeitraum von einem Jahr  eine bestimmte Anzahl (50-100) von durch verschiedene mögliche Verfahren gewählte Bürgerinnen und Bürger  (5-10 mal)  in einem Geldkonvent treffen und sie behandeln die zehn oder zwanzig Grundsatzfragen der Geldordnung, die wesentlichen Fragen.

Und zu jeder Frage bereiten sie in Recherche-Phasen verschiedene Alternativen auf, auch unterschiedliche, auch einander widersprechende Alternativen, weil es ja unterschiedliche Meinungen gibt.

--- Das ist kein Problem. Problem A wäre nur, dass wir sie nicht wertschätzend untereinander austauschen und Problem B, dass wir kein sinnvolles Werkzeug zur Hand hätten, unterschiedliche Meinungen zu einer für alle möglichst zufriedenstellenden Entscheidung zu bringen.

---Werkzeuge:
.
-   gewaltfreie Kommunikation
.
 systemisches Konsensieren 
/  so dass es möglich sein wird, innerhalb von einem Jahr die zehn Grundsatzentscheidungen für den demokratischen Geldkonvent zu treffen. Dann ist die Entscheidung auf kommunaler Ebene getroffen.


Die
Kommunal-Geld-Konvente wählen dann am Ende des Jahres  die

Zweite Ebene:   je eine delegierte Person in einen
Bundes-Geld-Konvent

Diese Ebene bereitet die finalen Alternativen auf:

 die am häufigsten gebrachten Themen werden zusammengestellt zu den Schlüsselthemen und die bei diesen am häufigsten gebrachten Themen am energiereichsten vertretenen Alternativen werden als die finalen Alternativen aufbereitet und dem Souverän zur Abstimmung gestellt.

Das Ergebnis wäre die GELDVERFASSUNG.  
Zwei, drei Seiten, vielleicht allerhöchstens fünf Seiten und das sind dann die Ordnungselemente für das demokratische Geldsystem.
Es braucht zwanzig verschiedene Reformen an der Geldordnung und wir können sie alle gelassen miteinander besprechen und in der Systemsicht uns dann für die zehn, zwanzig wichtigsten entscheiden.

Über ein bloßes Entweder‐Oder‐Denken sollten wir in der nächsten Zeit hinauswachsen und in ein Sowohl‐als‐auch kommen, aber natürlich nicht mit einer Million Reformen, sondern mit zehn oder zwanzig Reformen.

Wir schauen uns einfach die wichtigsten Elemente einer Geldordnung an:
/am Beispiel des Themenbereichs:   es darf nicht sein, dass private Banken mit Steuergeld gerettet werden, es darf nicht sein, dass ein Unternehmen so viel Marktmacht hat, dass es das demokratische Gemeinwesen erpressen kann.
Logische Folge: es braucht eine Größengrenze für Banken.
/Vorschlag z.B. irgendwo zwischen 20 und 30 Milliarden würde ich, aus dem Bauch heraus, eine Obergrenze für Banken setzen.
/Im konkreten Entscheidungsvorgang würden wir dann verschiedene Schwellen vorschlagen und auch argumentieren, einschließlich der Grundsatzfrage , ob es überhaupt eine Größengrenze für Banken braucht? Wenn wir zum Beispiel die Schwelle bei 50 Milliarden ansetzen würden, dann hätte die Deutsche Bank noch 1980 keinen Handlungsbedarf gehabt, heute müsste sie in ungefähr sechzig Teile zerlegt werden, falls sie diese Größenschwelle einhalten möchte.

//Wie wird jetzt abgestimmt? Das Verfahren haben nicht wir entwickelt, sondern Mathematiker, weil sie als Mathematiker vom einfachen Mehrheitsprinzip oder auch von der qualifizierten Mehrheit beleidigt
waren, weil es einfach so viele andere, so viele bessere Möglichkeiten gibt, aus mathematischer, gar nicht einmal aus ethischer Sicht.
Es dürfen mehrere Vorschläge gemacht werden, und es werden alle Vorschläge abgestimmt.
-   Wir messen
aber nicht die Zustimmung zu den vorliegenden Vorschlägen,
-    sondern wir messen den Widerstand dagegen.
Und da ist eine ganz tiefe Weisheit dahinter. Nämlich, jede Regel – egal ob die jetzt gültige Regel, oder irgend eine alternative Regel – schränkt die Freiheit von uns Bürger und Bürgerinnen mehr oder weniger ein und löst einen gewissen Schmerz in der Bevölkerung aus, größer oder kleiner. Und dieses Verfahren erlaubt uns, diejenige Regel ausfindig zu machen – hier wirklich schwerkraft‐gleich – die den geringsten Summenschmerz in der Bevölkerung auslöst und die Freiheit, von uns allen zusammen genommen, so gering wie möglich einschränkt.
Das ist der Freiheits‐Begrenzungs‐Minimierungs‐Ansatz, etwas technisch gesprochen.

/// Sie hören den Vorschlag, Sie hören den Text, Sie hören auf ihr Herz, Sie fühlen nach dem Schmerz und wenn da kein Schmerz ist, dann haben sie keine Widerstandsenergie, dann wollen sie nicht protestieren gehen und dann heben sie auch keinen Arm.
/// Wenn sich da etwas regt, leisten sie einen leichten Widerstand und heben einen Arm, mit der vorhandenen Energie.
/// Wenn es höllisch weh tut, dann haben sie ganz viel Widerstandsenergie, dann blockieren sie diese Entscheidung, also hier müsste ich wahrscheinlich auswandern, wenn das in die Verfassung einginge.

Im Wirtschaftskonvent entscheidet nur der Souverän, welche Fragen überhaupt entschieden werden, das ist die Kompetenzkompetenz.
Ad-hoc können immer noch bessere Vorschläge ergänzt und zur Abwägung gebracht werden.

Wichtig dabei dass mindestens zwei Vorschläge abgestimmt werden: 
-  der aktuelle Zustand, denn es muss mindestens auch der Widerstand gegen den aktuellen Zustand gemessen werden, weil es sein könnte, dass jeder vorgeschlagene Alternativzustand noch schlechter ist.  Es muss dem Ist‐Zustand, dem Status quo die Chance gegeben werden, dass er akzeptabler ist, als alle vorgeschlagenen Alternativen, deshalb gibt es immer mindestens zwei Vorschläge und es gilt: Sie hören den Vorschlag, sie hören ihren Schmerz und sie zeigen ihren Widerstand dagegen.

Wir haben keinen dogmatischen Ansatz, wir haben einen demokratischen Ansatz.  Was der Souverän entscheidet, ist dann das Grund-/Verfassungs-Gesetz.

Und die
Folge davon ist entsprechend dem Verfassungsgrundsatz von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums:  eine Gemeinwohlprüfung.


 

 


Jetzt haben sie an einem ersten Beispiel das Verfahren kennengelernt und auch verstanden. Jetzt können sie schon ein bisschen bewegen, ist der Souverän zu blöd, um wirtschaftspolitische und geldpolitische
Grundsatzfragen zu entscheiden? Das kann man nach einer Frage wahrscheinlich nicht sagen, schauen wir uns die nächste Frage an. Nächste Frage, Thema: Sollen Banken überhaupt profitorientiert sein dürfen (oder Energieversorgungsbetriebe), oder zählen Banken nicht zur Kerninfrastruktur der Wirtschaft und Gesellschaft und sollten als solche, gleich wie Grundschulen oder Gesundungshäuser oder auch andere Bestandteile, wie die Steuerbehörden, nicht profitorientiert sein. Ist der Vorschlag neu? Nein. Die ersten Banken waren kapitalistische Banken, das hat unser Bild geprägt, im 14. Jahrhundert in Italien, Holland und so weiter. Deshalb haben viele das Bild, eine Bank ist genetisch profitorientiert. Aber die meisten Banken und das betrifft nicht nur die Genossenschaftsbanken und die Sparkassen, sondern eben auch jetzt die jüngere Generation an ethischen Banken, auf deren Initiative wir uns versammeln, bei den meisten Banken gab es andere Motive als das Profitmotiv. Die meisten Banken zählen zum Sektor der Oikonomia und nicht der Chrematistike. Wir sind gerade in der Situation, dass wir eine sogenannte  Fitness‐and‐Properness‐Prüfung für nicht nur die Vorstände sondern auch die Aufsichtsräte der zukünftigen Bank für Gemeinwohl in Österreich absolvieren müssen. Logischer Vorschlag ist, wenn wir unsere eigene Verfassung ernst nehmen, dass es auch eine ethische Fitness‐and‐Properness‐Prüfung gibt. Und die beinhaltet, dass man so etwas, dass man einen glatten Verfassungsbruch einfach nicht öffentlich begehen darf. Da würde dann die Finanzmarktaufsicht sagen, tut uns leid, das ist dann doch eine Untergrabung der Verfassung. Da müsste eigentlich der Verfassungsschutz auf den Plan treten und sagen, lieber Herr Dibelius, sie können sich gerne in der freien Wirtschaft betätigen, aber nicht in einer Bank. Wir versuchen gerade, nach dem Vorbild der GLS und Triodos und anderer Ethik‐Banken, aber auch nach unseren zusätzlichen und darüber hinausgehenden, eigenen Überlegungen, eine Gemeinwohlbank zu designen. Und was jetzt kommt ist nicht, das Projekt in Österreich besser zu verstehen, sondern grundsätzlich eine Charta für gemeinwohlorientierte Banken festzulegen. Was sind denn die fünf Kerncharakteristika, damit wir eine Bank nicht als profitorientiert einstufen, sondern als gemeinwohlorientiert. Ein Argument wäre, dass die Sparenden am Weltspartag einen Nettozinsrechner bekommen, damit sie sich dann selbst ausrechnen, dass sie nicht finanziell unterdrückt werden, wie das eben behauptet wird, sondern dass sie Gewinnerinnen und Gewinner wären, je niedriger die Zinsen sind. Und wenn sie negativ wären, dann wären sie sogar Positivgewinner.
Aber da braucht es einen Zinsrechner, der uns das ausrechnet. Eine gemeinwohlorientierte Bank zeigt uns immer beide Bilanzseiten, nicht nur die Habenzinsen auf unser Sparguthaben, sondern sie zeigt uns
auch die Zinsen, die wir zahlen. Nicht als Kreditnehmerinnen, denn die meisten Kredite werden von Unternehmen aufgenommen, aber die Unternehmen reichen dann die Unternehmens‐ und
Investitionskredite über die Preise der Produkte und Dienstleistungen an die Konsumentinnen weiter.
Hier haben wir eine extreme, fast gleich große Kluft, wie wir auch zwischen Kundinnen und Bürgerinnen haben, zwischen Kundinnen und Sparerinnen. Das ist eben nicht gleich, weil die einen hohe Einkommen und hohe Sparvermögen und ‐erträge haben und die anderen haben geringe Einkommen und geringe Sparvermögen und ‐erträge. Und das Ganze ist eben kein Nullsummenspiel, sondern ein gewaltiges
Schaufelrad der Umverteilung von ungefähr 90 % der Bevölkerung zu ungefähr 10 %. Das heißt, wenn wir verstehen würden, wie die Verteilungswirkung des Zinses ist, müsste sich jetzt eigentlich die Mehrheit
der Bevölkerung freuen und nicht unterdrückt fühlen. Aber sie sind ideologisch unterdrückt und deshalb verstehen sie das noch nicht, aber auch weil die Banken uns nicht beide Bilanzseiten am Weltspartag
zeigen. Der Vorschlag ist, dass jetzt in der europäischen Bankenunion, die sich ein bisschen mehr an die Marktwirtschaft annähert – man muss ja paradox intervenieren – alle Banken vor die Alternative gestellt
werden: Möglichkeit A, du wirst zu einer gemeinwohlorientierten Bank, erfüllst diese Charta und erhältst weiterhin die staatlichen Unterstützungsleistungen, die jetzt bereits Banken zugutekommen. Für dich
ändert sich nichts. Möglichkeit B, du sagst, nein du möchtest keine gemeinwohlorientierte Bank werden, ich möchte eine profitorientierte Bank bleiben. Dann sagt aber das demokratische Gemeinwesen, okay dann ziehen wir aber jede Unterstützung von dir zurück. Das geht so ein bisschen in die Grundlinie des Vortrags zuvor. Und was sind denn die staatlichen Unterstützungsleistungen, die uns vielleicht gar nicht so bewusst sind? Jede Menge und die Rettung ist der letzte und wichtigste Punkt. Und wenn die
profitorientierte Bank die gesetzliche Garantie erhält – das ist der wichtige Punkt – dass kein Cent Steuergeld eingesetzt werden wird, um sie zu retten, weder direkt, noch indirekt, dann muss logischerweise auch jede profitorientierte Bank "small enough to fail" sein. Und das entspricht aber einer Marktwirtschaft, kurioserweise. Das heißt, hier mache ich ein Plädoyer für eine freie Marktwirtschaft und muss das aber von denen fordern, die uns seit zwanzig Jahren die Ohren vollgedröhnt haben, dass wir mehr Marktwirtschaft brauchen. Das ist eine sehr merkwürdige Situation. Aber wir müssen uns ja nicht so viele Gedanken machen, wer jetzt was wie argumentiert hat, sondern wir könnten einfach entscheiden. Und das wäre die Entscheidung Nummer zwei für den Mittelsektor. Machen sie sich
innerlich bereit, verbinden sie sich mit ihrem Stern und die Vorschläge müssen natürlich einfach gehalten werden.

Vorschlag Nummer eins, profitorientierte Banken sollen weiterhin die vorhin genannten, staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten, also Status quo, so wie jetzt. In der Bankenunion ist vorgesehen, dass erstens systemrelevante Banken bestehen bleiben dürfen, sie werden halt EU weit
beaufsichtigt, zweitens, sie werden mit Steuergeld gerettet. Zwar werden zuerst die Eigentümerinnen zur Verantwortung gezogen, was richtig ist, dann werden die Gläubigerinnen zur Verantwortung gezogen, was auch richtig ist, dann aber wird, wenn alle Sicherungsnetze reißen, zuerst der nationale Steuerzahler zur Verantwortung gezogen und wenn das auch nicht reichen sollte, dann kommen alle Steuerzahlerinnen der anderen Mitgliedsstaaten zur Verantwortung. Das ist der Diskussionsstand der
Bankenunion. Sie können das jetzt um‐entscheiden, weil sie ja der Souverän sind. Sie müssen es aber nicht, sie können sagen, 2A überzeugt mich und tut mir nicht weh. Möglichkeit B, staatlich unterstützte Banken sollen Gemeinwohlkriterien erfüllen müssen, damit ihnen staatliche Unterstützungsleistungen zu Gute kommen, als erste große Entscheidung einer Um‐Regulierung des Bankensektors.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Vorschlag für die Verfassung lautet: Profitorientierte Banken sollen weiterhin staatliche  Unterstützungsleistungen erhalten. Bitte zeigen sie ihren Schmerz mit und ihren Widerstand gegen diesen Vorschlag. Hundert. Zweiter Vorschlag: Staatlich unterstützte Banken sollen Gemeinwohlkriterien, die wir vorher auch definiert haben, erfüllen müssen, damit sie die staatlichen
Unterstützungsleistungen erhalten. Widerstand: Null. Ein Vorschlag liegt mir noch am Herzen. Letzter Vorschlag, haben wir noch Zeit? Kein Witz, das ist der Ist‐Zustand (Folie), das ist ja schon in der Verfassung. Aber es fehlt – genau wie beim Artikel 14 des Grundgesetzes – der Ausführungsgedanke und auf den möchte ich hinarbeiten und mit ihnen dann entscheiden.
Regeln der Kreditvergabe In meiner Interpretation sind hier zwei ganz fundamentale Entscheidungen enthalten: Spekulation auf Kredit ist verfassungswidrig. Das, was Ulrike Herrmann als Kapitalismus definiert hat. Ich wandele es ganz leicht ab. Kredite, mit denen reine  Aus‐Geld‐wird‐mehr‐Geld‐Geschäfte finanziert werden, sind
verfassungswidrig. Im Unterschied dazu reale Investitionskredite. Ein Unternehmen erhält einen Kredit, um die Produktion auszuweiten und das Büro zu sanieren und Beschäftigung zu schaffen. Ein Kredit mit
dem dann Bedürfnisse befriedigt werden, mit dem Nutzwerte hergestellt werden, dass ist der entscheidende Punkt, nicht Tauschwerte sondern Nutzwerte hergestellt werden. Zweitens, Werteschaffung ist aus meiner Sicht bewusst allgemein gehalten, das heißt, auch reale Investitionen
können theoretisch Werte zerstören. Ich bringe ihnen noch ein Beispiel, mein Lieblingsbeispiel, mit dem man auch gut erklären kann, was der Unterschied zwischen... sie werden sehen. Vor 1989 standen in den
neuen deutschen Bundesländern Ställe für 50000 Schweine. Meinem Empfinden nach eine Katastrophe.
Jetzt werden Ställe für 100000 Schweine gebaut, von holländischen Agrarkonzernen und von westdeutschen Agrarkonzernen. Und das rentiert sich im derzeitigen kapitalistischen System unter anderem, weil die Banken den Agrarkonzernen teurere Kredite geben als den kleinen, nachhaltigen
lokalen Biobauerinnen und Biobauern, oder günstigere? Ist das pervers? Sie wissen, pervers heißt von den Füßen auf den Kopf gestellt. Die Bank für Gemeinwohl oder die GLS oder auch andere Ethikbanken würde zuerst fragen, wie steht‘s um das Tierwohl? In welcher Gruppengröße fühlen sich Schweine am wohlsten, weiß das jemand zufällig? Ich hatte mal einen Professor für Nutztierhaltung im Vortrag der sagte, Herr Felber, das sind ja spannende Fragen, die sie uns hier stellen. Ich habe gerade eine
dreijährige Versuchsreihe mit meinem Kollegen über die Unterschiede zwischen dem Hausschwein und dem Wildschwein angestellt und der einzige Unterschied, den wir gefunden haben, war die Fellfarbe.
Und auch das Hausschwein hätte zum Beispiel am liebsten jeden Tag den Rüssel acht Stunden unter der Erde. Dann habe ich gesagt, Herr Professor, das sind ja berührende Einsichten, die sie gewonnen haben mit ihrer Studie. In welcher Gruppengröße finden sie denn das durchschnittliche Wildschwein? Sieben!
Also, günstigster Kredit, da könnten wir noch ein bisschen diskutieren, für den Biosojabauern, aber der kriegt vielleicht einen Negativzinskredit, aber der günstigste Kredit für den Biobauern mit einer durchschnittlichen Schweinebestandsgröße von fünf bis zehn. Und der Agrarkonzern, muss der 100% Zinsen zahlen? Der kriegt gar keinen Kredit, weil wir darauf kommen, es braucht eigentlich eine Obergrenze. Also, was würden sie maximal den Schweinen, die sie dann auch essen, zumuten, welche Gruppengröße maximal, von Herzen? Zweihundert, zwanzig, zehn? Also, zwischen 10 und 200. Um es uns einfach zu machen, wenn wir 200 annehmen würden, also maximal 200, dann gäbe es den teuersten  Kredit, zum Beispiel 10 %, für den Bauern mit 200 Schweinen und der Biobauer, der hätte einen Wettbewerbsvorteil gegenüber diesem Großbauern mit 200 Schweinen. Das ist der Unterschied zwischen Kommunismus, 50000 Schweine, Kapitalismus, 100000 Schweine und Gemeinwohlökonomie, zwischen 7 und 200 Schweine im Stall.
Zwischenfrage: Aber das Tierwohl, das steht doch überhaupt nicht in der Verfassung, das brauchen wir doch gar nicht zu achten! Die Verfassung schreiben ja wir zuerst neu, wenn es dann nicht drinnen steht, dann hätten sie recht, wenn sozusagen der Souverän entscheiden würde: Nein, die Tiere sind nicht wert, in der Verfassung gewürdigt zu werden, mit einem eigenen Wert ausgestattet zu werden, dann wären sie nicht in der Verfassung. Aber wenn wir entscheiden – und ich bin da sehr zuversichtlich, habe tiefes Vertrauen, dass die Menschen das heute erkannt haben – dass die Tiere wertvoll sind und dass wir ihnen zuerst ein eigenes Recht zugestehen würden, eine Würde zuerkennen würden und dass deshalb auch die
Obergrenze gerechtfertigt würde. Aber es ist ein offenes Ergebnis, um das eine und das andere Abscheiden zu können, für alle Investitionsformen. Und die Gemeinwohlprüfung scheidet Kreditansuchen ab, die zur Aufhebelung von Krediten dienen, das letzte Beispiel was ich noch erzähle. Sie haben alle sicher vom Long‐Term Capital Management gehört, von 1998. Gestern haben wir von Ulrike Herrmann gehört, zwischen 2001 und 2008 waren drei Finanzkrisen und so viele gab es in so kurzer Zeit noch nie.
Long‐Term Capital Management: Zwei Nobelpreisträger für Risikomathematik haben 5 Milliarden Dollar Eigenkapital gesammelt und damit sind sie dann zu den Banken gegangen und die Banken haben dann
weitere 120 Milliarden ergänzt. Und das war sozusagen das Leverage‐Kapital. Dann sind sie Derivate‐Positionen im Wert von 1,5 Billionen eingegangen und haben die in den Sand gesetzt. Und das
hätte zur Kernschmelze des globalen Finanzsystems geführt, wäre da nicht die Federal Reserve eingesprungen und hätte es gerade noch einmal hingebogen. Aber das Ansuchen eines Hedgefonds, ein Eigenkapital von 5 Milliarden Euro mit 120 Milliarden Euro aufzuhebeln, das würde bei der ethischen Kreditprüfung durchfallen und dieser Kredit würde nicht gewährt werden. Und das Zweite ist, die Kreditprüfung fragt, wie ist denn die Auswirkung dieses Investitionsvorhabens auf die Umwelt, auf die
Arbeitsbedingungen, auf die Verteilungsgerechtigkeit, auf die Demokratie?

 

Dieser letzte Gedanke sei mir noch erlaubt, die Blindheit der Ökonomie ist heute so gefährlich, so gemeingefährdend geworden, dass eine Investition heute im Mainstream als erfolgreich von den Ökonomen – nicht nur von den Finanzierungsexperten betrachtet wird, wenn sie einen financial return on investment generiert. Und wenn der zweistellig ist, dann kriegen nicht wenige einen Orgasmus. Und sagt uns aber eine zweistellige
Finanzrendite einer Investition auch nur irgendetwas Verlässliches über die Umweltauswirkungen dieser Investition, über die Auswirkungen auf den sozialen Zusammenhang, auf die Verteilungsgerechtigkeit, auf alle Verfassungs‐ und Grundwerte, auf die wertvollsten Gemeinschaftsgüter? Gar nichts. Es kann sein, dass diese als hoch erfolgreich betrachtete Investition unsere heiligsten Grundwerte entwertet und die Gemeinschaftsgüter enteignet. Dass die Wirtschaftswissenschaft das nicht ganz prominent als ihre Schwachstelle erkennt, das ist glaube ich eine der ganz zentralen Rechtfertigungen für die Plurale Ökonomik, aber eben auch für die Gemeinwohlprüfung. Und erst wenn die Gemeinwohlprüfung
bestanden ist, wird die finanzielle Risikoprüfung gemacht. Diese Hierarchie ist ganz wichtig. Erst wenn die Gemeinwohlprüfung ein nicht negatives Ergebnis hat, erst dann wird die finanzielle Risikoprüfung gemacht. Wenn die auch bestanden wird, fließt der Kredit zu umso günstigeren Konditionen, je höher der Gemeinwohlwert ist. Das heißt, wir vermählen den finanziellen Risiko‐Spread, der kann aufrechterhalten bleiben, mit dem ethischen Risiko‐Spread und das Syntheseergebnis ist dann der Zinssatz, der Außenzinssatz für den Kredit. Das wären jetzt die Fragen und ich glaube, um die Zeit zu schonen, führen wir die Abstimmung in der Stille durch. Ich habe Manchmal Vorträge, wo wir bis zur Frage zehn kommen, und die Erfahrung zeigt, die Abstimmungsergebnisse sind in jedem der zehn Fälle gleich eindeutig wie in den ersten beiden. Sie sind gleich eindeutig und das hätte aber dann, falls das in einem formal legitimierten Geldkonvent auch tatsächlich so entschieden würde, zur Folge, dass in allen Grundbausteinen der Geldordnung der Souverän anderes entscheiden würde, als es seine Vertretung derzeit tut und getan hat. Und das sehe ich als eine sehr, sehr starke transformative Kraft der Bürger und Bürgerinnen und ich würde die Bürgerenergie nicht nur in Form von sehr wichtigen und wertvollen
Genossenschaften organisieren, sondern eben auch in demokratischen Konventen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.