GW / 1999
Weihnachten
macht uns Jahr für Jahr auf einzigartige Weise damit vertraut, daß und wie sehr wir wirklich neu Wahrnehmende werden müssen, wenn wir begreifen wollen, daß das, was die christliche Tradition Erlösung nennt, der Welt nicht durch dieses oder jenes machtvoll alles wandelnde Eingreifen Gottes geschieht...
Jenes tägliche Werden und Vergehen sowie Neben-, Mit- und Gegeneinander, in dem jenseits aller lauten Aufmerksamkeit beispielsweise ein Kind geboren wird, ist in sich gelöst:
Die Ausgesetztheit, in die ein solches Kind wie alles in die Individualität gerufene Leben hineingeboren wird, ist ja nichts als die Bedingung seiner möglichen Geborgenheit,
seiner auf den Brückenschlag verwiesenen und zu ihm begabten Geschöpflichkeit,
der Ort,
an dem es, was wir Licht nennen, überhaupt erst und unübersehbar strahlend gibt,
weil es an ihm auch dunkel ist und sein kann:
Bethlehem eben!
Diese Ausgesetztheit wird in Bethlehem überdies sichtbar als eine Ausgesetztheit, die, sobald wir den Gott der Christen zu begreifen suchen, Schöpfer und Geschöpfe gleichermaßen kenn- und auszeichnet.
Etwas Paradiesischeres als die vielfach hochzeitliche, sprich liebend immer neu zu vollziehende Wandlung dieser Ausgesetztheit in Geborgenheit ist schlechterdings nicht denkbar.
Davon künden Jesu Himmelreichs-Gleichnisse ebenso wie seine Botschaft von der geheimnisvoll alles Leben zu immer neuen Formen seiner selbst wandelnden Bedeutung jedes liebenden Los- oder gar Sein-Leben-Lassens...
Sehende
könnten wir also sein,
wenn wir nicht wieder und wieder vor allem
Wertende
sein wollten...
Der Apfel vom Baum der Erkenntnis lockt uns noch immer, wenn wir nach den Verantwortlichen für die bethlehemitsche Ausgesetztheit des Gottessohnes fragen...
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